Medizinethnologie

The Morning After: Ethnologie mit Ebola-Kater

Anne Menzel und Anita Schroven

Ebola Behandlungszentrum in Forécariah, Guinea | Anita Schroven, Januar 2016

Ebola Behandlungszentrum in Forécariah, Guinea | Anita Schroven, Januar 2016

Jahreswechsel sind traditionell die passende Zeit für Rückblicke und Katerstimmung. Allerdings hält letztere bei einigen Medizin- und/oder Westafrika-spezialisierten EthnologInnen schon spätestens seit dem Frühherbst an. Der Kater ist vor allem „Ebola-bedingt“. Er ist der Ernüchterung geschuldet, die auf den Rausch an der plötzlich und unerwartet erfahrenen praktisch-politischen Relevanz ethnologischer Expertise folgte. Präziser: Der Kater ist der Nachhall der Ebola-bedingten Policy-Relevanz, die EthnologInnen im Verlauf der Epidemie erlebt und für ihr Fach beansprucht haben (vgl. etwa American Anthropological Association 2014; UN News Center 2015).

Festgestellt haben wir die Katerstimmung zunächst bei uns selbst, die wir auf diesem Blog im Dezember 2014 nahegelegt hatten, dass ethnologische Perspektiven im Kampf gegen die Epidemie eine zentrale Rolle spielen können: indem sie kritische Perspektiven zu und Aufklärung über Exotisierungen und irreführende Vereinfachungen liefern, die einem tieferen Verständnis der Situation in den meistbetroffenen Ländern im Wege stehen (vgl. Beisel u.a. 2014). Wir haben diesen Anspruch bewusst zurückhaltend formuliert. Nichtsdestotrotz ging es auch uns letztlich darum, dass ein tieferes Verständnis bessere humanitäre Maßnahmen und insgesamt eine bessere internationale und nationale Politik zur Folge haben sollte. „Besser“ sollte dabei bedeuten, dass die Bedürfnisse der Betroffenen ernst genommen werden und dass ihnen Mitsprache eingeräumt wird. Wir hofften, dass es so gelingen würde, tatsächlich nachhaltige Prävention gegen Ebola und andere Infektionskrankheiten zu etablieren.

Leider hat die Policy-Relevanz ethnologischer Perspektiven nicht zu derartigen Verbesserungen und Ergebnissen geführt. Eher sieht es danach aus, als sollten bedrohliche Infektionskrankheiten als feste Bestandteile westafrikanischer Lebensrealitäten akzeptiert werden, die nun aber zumindest „unter Kontrolle“ seien. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedenfalls betreibt bereits Erwartungsmanagement. Angesichts des neuen Ebola-Todesfalls in Sierra Leone, der am 15. Januar gemeldet wurde, erklärte der WHO Ebola-Sonderbeauftragte Bruce Aylward: “We still anticipate more flare-ups and must be prepared for them” (WHO 2016a).

Auf mehreren Konferenzen und Workshops, an denen wir im Laufe des letzten Jahres teilgenommen und mitgewirkt haben[1], hatten wir zudem den Eindruck, dass Frustration und Enttäuschung über die praktischen Konsequenzen Policy-relevanter Ethnologie recht weit verbreitet sind. Es scheint, dass Policy-Relevanz für EthnologInnen bedeutet, dass sie mehr aufgeben müssen, als sie an Einfluss gewinnen. Kritische Perspektiven, die auch vor den strukturellen Bedingungen nationaler und internationaler Gesundheitspolitik in und für die meistbetroffenen Länder und vor der aktuellen humanitären Praxis nicht haltmachen, sind jedenfalls nicht erwünscht.

„Gesundheitsversorgung“ als täglich Brot, orale Rehydration im Straßenhandel | Anne Menzel, Lunsar, Sierra Leone, März 2014

„Gesundheitsversorgung“ als täglich Brot, orale Rehydration im Straßenhandel | Anne Menzel, Lunsar, Sierra Leone, März 2014

Es ist also dringend an der Zeit, die ethnologische Beschäftigung mit Ebola (selbst-)kritisch zu reflektieren, um aus dem Kater Konsequenzen ziehen zu können. Ausgehend von unseren eigenen Erfahrungen und Eindrücken wollen wir hier einen Anfang machen: Im Folgenden stellen wir rückblickend zunächst einige zentrale Entwicklungen des letzten Jahres dar. Der Übersichtlichkeit halber differenzieren wir dabei zwischen Entwicklungen „vor Ort“ in den meistbetroffenen Ländern – in Sierra Leone, Guinea und Liberia – und Entwicklungen in der ethnologischen Auseinandersetzung mit Ebola und mit Ebola-bezogenen humanitären Maßnahmen und Wiederaufbauprogrammen; letztere wird deutlich von EthnologInnen aus dem globalen Norden dominiert. Die Zusammenhänge zwischen beiden Welten und ebenso die Schluchten, die zwischen ihnen klaffen, thematisieren wir im Anschluss an den Rückblick. Hierzu zeigen wir Themen und Fragen auf, die mit zunehmender Policy-Relevanz ausgeblendet wurden und die es sich wieder aufzugreifen lohnt. Sie betreffen insbesondere die Beziehungen zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und der desaströsen Gesundheitsversorgung in den meistbetroffenen Ländern.

 

Von der Epidemie zurück zum „normalen Leid“

Vor etwas mehr als einem Jahr schrieben wir auf diesem Blog nicht nur über die mögliche Rolle ethnologischer Perspektiven, sondern auch über das Leben unter Bedingungen von Ebola in Guinea und Sierra Leone (vgl. Schroven 2015; Menzel 2014). Zur Erinnerung: Die ersten bestätigten Fälle wurden im Frühjahr 2014 bekannt. In unseren Beiträgen ging es uns darum, Ebola in die Lebensrealitäten in den betroffenen Ländern einzuordnen und so den Ausnahmezustand zu kontextualisieren: denn diese Lebensrealitäten sind keinesfalls erst seit dem Ausbruch der Epidemie von erheblicher Unsicherheit geprägt. Drohender Hunger und Mangelernährung, sozio-ökonomische Perspektivlosigkeit, die Abwesenheit erschwinglicher Gesundheitsversorgung sowie Vernachlässigung und Repression durch zentralstaatliche und lokale politische Eliten sind Herausforderungen, mit denen erhebliche Anteile der guineischen, sierra-leonischen und liberianischen Bevölkerung schon vor Ebola im Alltag zu ringen hatten ‒ und die ihren Alltag heute weiterhin prägen. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die ambivalente Erleichterung verstehen, die ein langjähriger Freund in Sierra Leone in einem kürzlich geführten Telefongespräch äußerte. Er erklärte, er danke Gott für das Ende der Epidemie, und fügte hinzu:

„Fürs Erste haben wird das normale Leid zurück.“ (Telefongespräch von Anne Menzel, 14.11.2015)[2]

Während wir an einer ersten Version dieses aktuellen Beitrags schrieben, hatte die Weltgesundheitsorganisation Sierra Leone und Guinea im November beziehungsweise im Dezember 2015 offiziell für Ebola-frei erklärt, nachdem jeweils 42 Tage ohne registrierte Neuinfektionen verstrichen waren. 42 Tage sind die doppelte Länge der (soweit bislang bekannt) maximalen Inkubationszeit. Für Liberia ist die Ebola-Freiheit gerade, am 14. Januar, bereits zum zweiten Mal erklärt worden. Nachdem sie schon einmal im September 2015 erreicht worden war, wurden im November erneut Ebola-Infektionen bekannt; und der 42-tägige Countdown begann von neuem. So es nach 42 Tagen keine neuen Fälle gibt und „Ebola-Freiheit“ erklärt werden kann, soll dann noch eine von der WHO vorgeschriebene 90-tägige Phase „of heightened surveillance“ folgen (vgl. WHO 2015). Ob solche besondere Wachsamkeit tatsächlich umgesetzt wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. In der guineischen Hauptstadt Conakry zumindest waren die Chlorwasserbehälter für die obligatorische Handwäsche bereits kurz nach Erklärung der Ebola-Freiheit (am 28. Dezember 2015) aus dem öffentlichen Stadtbild verschwunden – als wären sie nie da gewesen. Erst nach Bestätigung des neuen Ebola-Falls in Sierra Leone sind in Grenznähe erneut gelbe Handwaschstationen an der Straße aufgebaut worden (Beobachtung von Anita Schroven, Januar 2016).

Insgesamt verzeichnen Sierra Leone, Guinea und Liberia mehr als 11.300 registrierte Ebola-Todesfälle (vgl. WHO 2016b). Die Dunkelziffer und die Zahl derjenigen, die an „Begleiterscheinungen“ der Epidemie verstorben sind, übersteigen diese Zahl womöglich noch deutlich. Nur als Beispiel: Die internationale NGO Doctors of the World schätzt allein für den Moyamba Distrikt in Sierra Leone, dass dort von November 2014 bis März 2015 so viele Todesfälle auftraten wie in den Jahren zuvor in einem ganzen Jahr. Vorrangig waren Kinder betroffen, die durch gängige Infektionskrankheiten wie Malaria besonders gefährdet sind und die verstarben, weil ihre Eltern sie aus Angst vor einer Ansteckung mit Ebola nicht bei den örtlichen Gesundheitseinrichtungen behandeln ließen – oder weil diese Einrichtungen keinerlei Versorgung mehr anzubieten hatten. Die ohnehin knappen Kräfte und Ressourcen waren für den Kampf gegen Ebola mobilisiert worden (vgl. Doctors of the World 2015: 76-83).

Allerdings: Wie alle Zahlenangaben im Kontext der Epidemie ist auch diese offenbar gründlich und kleinteilig recherchierte Schätzung mit Vorsicht zu behandeln. Sie basiert auf den offiziell registrierten Beerdigungen im Moyamba District – und diese Datengrundlage könnte durchaus ein verzerrtes Bild liefern. Da die in Sierra Leone in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 erlassenen Ebola-Notstandsgesetze festlegten, dass alle Todesfälle registriert und alle Toten „sicher begraben“ werden müssen, wurden in dem angegebenen Zeitraum womöglich anteilsmäßig mehr Todesfälle tatsächlich gemeldet und registriert als vor der Ebola-Krise. Präziser: Es ist durchaus denkbar, dass nicht mehr Menschen verstarben sondern lediglich ein größerer Anteil der angefallenen Todesfälle offiziell registriert wurde[3]. Doctors of the World führt als Gegenargument die Unbeliebtheit der staatlich verordneten „safe burials“ an, bei denen Verstorbene nicht von ihren Angehörigen gewaschen und zum Abschied berührt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist auch denkbar, dass tatsächlich noch deutlich weniger Todesfälle offiziell registriert wurden als sonst, weil Angehörige „safe burials“ vermeiden wollten. Aus dieser Perspektive wäre damit zu rechnen, dass die Schätzung den Mortalitätsanstieg sogar eher noch zu gering veranschlagt (vgl. Doctors of the World 2015: 83). Man weiß es schlicht nicht.

Aufgenommen im Gesundheitszentrum St. Gabriel in Conakry | Anita Schroven, Januar 2016

Aufgenommen im Gesundheitszentrum St. Gabriel in Conakry | Anita Schroven, Januar 2016

Ebenso ungewiss wie die „harten Fakten“ der Epidemie sind ihre sozialen und politischen Auswirkungen. Es lassen sich aber zumindest Tendenzen ausmachen. Zu diesen gehört die verbreitete Erfahrung, dass in allen drei meistbetroffenen Ländern die ohnehin sozio-ökonomisch Marginalisierten am stärksten unter der Epidemie und ihren Begleiterscheinungen zu leiden hatten: etwa die städtischen Armen in Freetown und Monrovia und die Bevölkerung der Guinée Forestière Region, die in Guinea seit Jahrzehnten von der Zentralregierung systematisch vernachlässigt wird. Zudem haben die Regierungen der drei Länder auf Widerstand gegen und mangelnde Kooperation mit Quarantäne- und anderen Notstandsmaßnahmen repressiv und nicht selten gewaltsam reagiert. Insbesondere gegen Angehörige marginalisierter Gruppen wurde polizeilich oder militärisch vorgegangen. Ihnen wurde Gewalt angedroht, angetan und/oder sie wurden unter Beobachtung gestellt (vgl. etwa Menzel 2014; Schroven 2015; Mogelson 2015). Zugleich entstand bei den Marginalisierten der – sicher oftmals zutreffende – Eindruck, dass gut vernetze Eliten sogar noch von der Epidemie profitieren konnten, weil internationale humanitäre Maßnahmen ihnen abschöpfbare Gelder und/oder vergleichsweise einträgliche Arbeitsgelegenheiten verschafften (vgl. etwa Shepler 2014; Moran 2015; Enria 2015). Diejenigen „Lokalen“ wiederum, die mit hoher formaler Bildung und guten Beziehungen ausgestattet Jobs in humanitären NGOs ergattern konnten, fanden sich in dieser Sphäre ihrerseits am unteren Ende der Nahrungskette wieder: sowohl im Hinblick auf die Vergütung, die für in Krisengebieten eingesetzte „Expats“ stets deutlich höher ausfällt, als auch im Hinblick auf professionelle Anerkennung. Ein studierter Bekannter aus Freetown, der im Rahmen der internationalen humanitären Antwort auf Ebola von einer NGO angestellt worden war, beschrieb dies wie folgt:

„I was very, very disappointed. […] We used to have meetings … briefings. And in these briefings … I mean, we the locals just take backseats. And we would sit there and listen to the expats and they would talk and talk and talk. […] At times we wanted to make a contribution and it was difficult. […] I think the whole way the thing was structured … it’s like we didn’t have a voice.” (Interview, 22.06.2015)[4]

Für diese Erfahrungen und Eindrücke steht insgesamt zu erwarten, dass sie bestehende Ungleichheits- und Misstrauensverhältnisse bestätigen und möglicherweise eskalieren – mit noch ungewissen Folgen.

 

Von der Kritik zur Dienstleistung

Der eingangs bereits kurz angerissene ethnologische Rausch an der plötzlichen Policy-Relevanz war eine Trunkenheit von der Sorte, in der die anstehenden Kopfschmerzen bereits mitschwingen. Die Mobilisierung der Scientific Communities auf beiden Seiten des Atlantiks, die im Herbst 2014 anlief, wurde von Anfang an von Zweifeln begleitet – und zugleich von dem dringenden Wunsch getragen, etwas zum Kampf gegen die Epidemie und für die Verbesserung der angelaufenen humanitären Maßnahmen beizutragen. Diese Ambivalenz lässt sich beispielsweise in zahlreichen Beiträgen des hochkarätig mit Westafrika-EthnologInnen besetzen Forums der Emergency Initiative on the Ebola Outbreak beobachten, das am 6. und 7. November 2014 in Washington D.C. stattfand (die Beiträge sind weiterhin als Youtube Videos verfügbar, vgl. Emergency Initiative on the Ebola Outbreak 2014). Im Anschluss an das Forum haben Doug Henry und Susan Shepler die Bedenken noch einmal zusammengefasst. Sie warfen die Frage auf, wie EthnologInnen kritisch bleiben können, ohne „nur“ KritikerInnen zu sein. Dabei betonten sie vor allem zwei Perspektiven, die aus ihrer Sicht im Rahmen des ethnologischen Engagements bislang zu kurz kamen. Zum eine gehe es darum, nicht nur Kontextwissen über „exotische“ Kulturen bereitzustellen, sondern auch die Praktiken und Strukturen der Organisationen zu untersuchen, die Hilfsmaßnahmen bereitstellen und verteilen:

„We need a humanitarian anthropology that is embedded in that response, yet is able to be critical of it.“ (Henry/Shepler 2015: 21)

Zum anderen sei es nötig, angesichts der aktuellen Krise nicht die globalen Macht- und Herrschaftsverhältnisse aus dem Blick zu verlieren, die bereits die Zeit vor der Krise strukturiert hatten und die absehbar auch die Zeit nach der Krise strukturieren werden. Sie entscheiden, ob es bei dem Kampf gegen die Epidemie bleibt oder ob daraus der Weg zu einer besseren Gesundheitsversorgung entstehen kann:

„If […] we are truly concerned about the health and wellbeing of African populations […] then humanitarian assistance cannot be for just this one disease, but must attend to its aftermath, and the investment in infrastructure necessary to prevent future suffering.” (Henry/Shepler 2015: 21)

Was aber, wenn die relevanten Akteure in internationalen Organisationen und NGOs nun einmal in erster Linie ethnologische Expertise nachfragen, die in ihre bestehenden Maßnahmenkataloge hineinpasst? In diesem Fall ist das Höchstmaß an erwünschter Kritik, dass bereits angedachte Maßnahmen gemäß den von staatlichen und institutionellen Gebern gesetzten Prioritäten optimiert werden sollen, damit intendierte Ergebnisse auch tatsächlich erreicht werden. Und genau dies ist in der Tat das Höchstmaß an erwünschter Kritik. EthnologInnen werden also in erster Linie als DienstleisterInnen angesehen, die demnach Wissen bereitzustellen haben, welches die internationale Antwort auf Ebola – innerhalb machtvoll gesetzter Parameter – effektiver machen soll. Einen anschaulichen Einblick in diese Auffassung bieten etwa die Ausführungen des UN-Sonderbeauftragten für Ebola, David Nabarro. Er hob den Bedarf an epidemiologischer und ethnologischer Expertise hervor, die idealerweise kombiniert werden sollen und in der UN-Ebola-Mission (UNMEER) angeblich kombiniert wurden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen:

„[T]he most important requirement is to have experienced people, people who know about disease. They’re called epidemiologists. And that means they study epidemics. But because this disease is very much driven and spread through the way in which people behave, particularly around the time of sickness or death, we also need to have another group of people working on it called anthropologists. The people who study behaviour. Taken together, teams of epidemiologists and anthropologists need to be scattered throughout the affected countries, keeping a close watch on the levels of disease and on what’s happening in the population to respond to it.” (UN News Center 2015)

Die Realität internationaler Ebola-Interventionen war denkbar weit von dieser Darstellung entfernt. Es kann keine Rede davon sein, dass die meistbetroffenen Länder von interdisziplinären Teams durchforstet wurden. Internationale Organisationen und NGOs ließen sich oft nur extern beraten oder hatten eine/n, bestenfalls zwei oder drei ethnologisch geschulte MitarbeiterInnen vor Ort[5]. Aufgrund ihrer durchweg niedrigrangingen Stellungen innerhalb der Organisationen und vor dem Hintergrund, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt ihrer Einstellung bereits geplant waren und feststanden, konnten diese EthnologInnen keinen Einfluss auf das Design der Programme oder Projekte oder auch nur auf die grundlegenden Umsetzungsmodalitäten nehmen.

Nichtsdestotrotz gibt es eine bekannte Erfolgsgeschichte, die der Policy-relevanten Idealvorstellung in etwa zu entsprechen scheint und die wohl gerade auch deshalb Bekanntheit erlangt hat und sogar in der internationalen Medienberichterstattung mehrfach wiedergegeben wurde (vgl. etwa Kupferschmidt 2014). Sie handelt von der kultursensiblen Konfliktbearbeitung der WHO-Ethnologin Julienne Anoko. Hier eine Kurzfassung: Während ihres Einsatzes in Guinea wurde Anoko mit einem epidemiologischen Albtraum konfrontiert. Eine junge schwangere Frau war in einem Krankenhaus in Guéckédou (Guinea) nachweislich an Ebola verstorben und sollte gemäß dem mittlerweile etablierten Protokoll „sicher begraben“ werden. Aber die Ältesten der betroffenen Dorfgemeinschaft weigerten sich, dem Prozedere zuzustimmen. Statt der vorgesehenen größten Vorsicht im Umgang mit der Leiche und ihren hochinfektiösen Körperflüssigkeiten forderten sie, dass der Fötus vor der Beerdigung von der Mutter getrennt werden müsse. Eine Beerdigung der Mutter im schwangeren Zustand werde zu einer spirituellen Verunreinigung der Frauen im Dorf führen und zur Folge haben, dass sie ihre aktuellen oder zukünftigen Schwangerschaften womöglich ebenfalls nicht überleben. Für den Fall, dass die „sichere Beerdigung“ gegen ihren Willen durchgeführt werde, drohten die betroffenen DorfbewohnerInnen an, zukünftig nicht mehr mit den zuständigen Behörden und Organisationen zu kooperieren und beispielsweise keine Informationen für das „contact tracing“ zur Verfügung zu stellen, über das potentiell Angesteckte identifiziert werden sollen. Aufgrund der hohen Infektionsgefahr weigerten sich die Ärzte in Guéckédou jedoch, an der Verstorbenen einen Kaiserschnitt vorzunehmen. Anoko führte Gespräche, hörte aufmerksam zu, vermittelte und fand schließlich eine Lösung, die alle Seiten zufriedenstellte: Im Verlauf von Anokos Befragungen gelang es der Dorfgemeinschaft, ein Reinigungsritual zu identifizieren, welches nach der Beerdigung einer schwangeren Frau durchgeführt werden kann und die angerichtete Verunreinigung wieder aufhebt. Die WHO erklärte sich bereit, die Kosten für das Ritual zu übernehmen ($660), und die schwangere Frau konnte endlich begraben werden (vgl. Fairhead 2015: 6). Anokos Arbeit hatte also dazu geführt, dass die vorgesehenen Maßnahmen wie vorgesehen durchgeführt werden konnten.

Die EthnologInnen, die im Verlauf der Epidemie für internationale Organisationen und NGOs tätig waren, wurden sich der Dienstleistungsfunktion ihrer Expertise sicher schnell bewusst – so sie nicht ohnehin von vornherein mit einer Dienstleistungsrolle gerechnet hatten. Der Arzt und Ethnologe Fred Martineau, der während der Epidemie in Sierra Leone eingesetzt war, betonte in einem kürzlich gehaltenen Vortrag, dass es gerade die Dienstleistungsrolle war, die es EthnologInnen ermöglichte, überhaupt etwas zu tun (vgl. Martineau 2015). Denn nur in dieser Rolle können sie für internationale Organisationen und NGOs unmittelbar verständlich und nützlich sein. Um zumindest im Rahmen der bereits beschlossenen Maßnahmen und gesetzten Prioritäten etwas bewirken zu können, wie im oben geschilderten Fall von Julienne Anoko in Guéckédou, mussten „eingebettete“ EthnologInnen sich auf die bestehenden Spielregeln einlassen. Einige mögen gehofft haben, dass sie im Gegenzug Einfluss auf diese Spielregeln würden nehmen können, um sie an Realitäten und Bedürfnisse vor Ort anzupassen – beziehungsweise um darauf hinzuwirken, dass solche Realitäten und Bedürfnisse überhaupt erst einmal erfasst und ausdrücklich zur Kenntnis genommen werden. Solche Erwartungen erfüllten sich jedoch in aller Regel nicht. Selbst Erfolgsbeispiele, die wie der oben geschilderte Fall in Guéckédou in das Bild erwünschter Policy-Relevanz und intendierter Ergebnisse passen, wurden von den beteiligten Organisationen nicht zum Anlass genommen, grundsätzlich ein kommunikativeres und von vornherein partizipativ angelegtes Vorgehen zu entwerfen und umzusetzen. Stattdessen wurden Beispiele wie das von Julienne Anoko zur Öffentlichkeitsarbeit im globalen Norden eingesetzt (Gespräche mit MitarbeiterInnen internationaler Organisationen und NGOs in Guinea, geführt im Januar 2016 von Anita Schroven).

 

Vom aufgewühlten Engagement zum „guten Projekt“

Der von Fred Martineau beschriebene Dienstleistungspragmatismus, dessen ethische Logik gerade in unmittelbaren Krisenzeiten kaum zu bestreiten ist, wurde im Laufe des Jahres 2015 noch um eine Entwicklung ergänzt, die weiter zur Zähmung des ethnologischen Engagements beitrug. Das aufgewühlte Engagement der Anfangszeit wurde zunehmend durch Einbindung in „gute Projekte“ (vgl. Krause 2014) ersetzt – oder durch den allmählichen Rückzug aus der Policy-relevanten Auseinandersetzung mit Ebola.

Die erste Mobilisierung der ethnologischen Communities ab Herbst 2014 hatte vor allem als Crowd Sourcing über Email-Verteiler und vereinzelte Veranstaltungen stattgefunden. Diese Verteiler und Veranstaltungen waren von vornherein tendenziell entweder US-amerikanisch, britisch oder französisch dominierte Angelegenheiten. Neben einer erstaunlich ausgeprägten Sprachbarriere (Englisch-Französisch) war diese Aufteilung von neokolonialen Zuständigkeitszuschreibungen geprägt (Großbritannien für Sierra Leone, Frankreich für Guinea, USA für Liberia). Aus Deutschland und weiteren Staaten ohne direkte kolonialgeschichtliche Verbindungen zu Sierra Leone, Guinea oder Liberia waren nur einige wenige EthnologInnen aktiv an den sich entfaltenden Debatten beteiligt; und noch weniger EthnologInnen versuchten, die neokolonialen und sprachlichen Barrieren zu überwinden und in und mit allen drei Communities zu kommunizieren.

In jedem Fall aber bemühten sich die an diesen Listen und Veranstaltungen beteiligten EthnologInnen, Antworten auf praktische Fragen und Lösungen für Probleme zu finden, die von internationalen Organisationen und NGOs kommuniziert oder bereits über die internationale Berichterstattung bekannt geworden waren. Sie taten dies jeweils auf Basis ihrer ethnographischen Wissensbestände und fortbestehenden Feldkontakte in den meistbetroffenen Ländern; neben bekannten fachlichen Koryphäen kamen so auch junge WissenschaftlerInnen zu Wort, die beispielsweise aktuell an Promotionsvorhaben oder postdoc-Projekten in der Region arbeiteten. Zudem wurde breit über kontroverse Themen diskutiert, etwa über den Nutzen, die Risiken und die politischen Implikationen der erheblichen Einbindung nationaler und externer Armeen (der britischen, US-amerikanischen, und französischen) in die Epidemie-Bekämpfung (vgl. etwa American Anthropological Association 2014: 12-13). Das Prozedere war oft chaotisch, das Engagement der TeilnehmerInnen unbezahlt – was die aktive Teilnahme bald vor allem für die Nicht-ProfessorInnen unter ihnen schwierig machte – und Meinungen und Informationen wurden größtenteils ungefiltert und ohne Verbreitungsbeschränkung zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig gelang es aber auch, Kernthemen (etwa Fragen zu Beerdigungspraktiken) für UNMEER Briefs aufzubereiten und in kurzen Stellungnahmen für die Praxis zu übersetzen.

Im Laufe des Jahres 2015 waren dann sowohl die TeilnehmerInnen als auch die nachfragenden Organisationen zunehmend bemüht, die Zusammenarbeit zu formalisieren, um Planungs- und Finanzierungssicherheit zu gewährleisten. Dies lässt sich insbesondere für das britische Engagement aufzeigen. So finanzierten in Großbritannien der Welcome Trust und die nationale Entwicklungsagentur DFID diverse Forschungsprojekte in Sierra Leone sowie die Etablierung der „Ebola Response Anthropology Platform“. Hierbei handelt es sich um eine Informations-Datenbank und Kommunikationsplattform, die auch von US-basierten EthnologInnen genutzt wird und die offiziell mit dem US-basierten und dem französischen Netzwerk kooperiert[6]. In Frankreich wird die Erforschung der Impfstoffentwicklung unterstützt; dieses Projekt hat sich aus dem Engagement einiger EthnologInnen während des Ausbruchs ergeben[7].

Mit dieser Formalisierung wurde das ethnologische Engagement systematischer an auftraggebende Organisationen gebunden und damit zugleich der Projektlogik unterworfen, der humanitäre Hilfe und auch Entwicklungszusammenarbeit üblicherweise unterliegen. So wurde das Engagement Bestandteil „guter Projekte“ (vgl. Krause 2014), die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich erreichbare Ziele setzen und nach Abschluss erfolgreich evaluiert werden können. In ihnen sind kritische Perspektiven auf humanitäre Praxis und internationale Macht- und Herrschaftsverhältnisse nicht vorgesehen.

Straßenschild in Forécariah, Guinea | Anita Schroven, Januar 2016

Straßenschild in Forécariah, Guinea | Anita Schroven, Januar 2016

 

Ein Plädoyer für die Wiederbelebung ausgeblendeter Perspektiven

Wir haben eingangs angekündigt, es sei an der Zeit, aus dem Ebola-bedingten Kater Konsequenzen zu ziehen. Der gerade dargelegte Rückblick liefert die Hintergründe für diese Forderung: Die Katerstimmung ist der Ernüchterung darüber geschuldet, dass in der aktuellen ethnologischen Auseinandersetzung mit Ebola kaum mehr Platz für kritische Perspektiven auf humanitäre Praxis und internationale Macht- und Herrschaftsverhältnisse bleibt. Vermutlich war dies zu erwarten. Der krisenhafte Ausnahmezustand, als der Ebola wahrgenommen wurde, erzeugte die Art von unmittelbarem Handlungsdruck, der kritische Reflexion geradezu unredlich erscheinen lässt. Denn schließlich ist sie in aller Regel sowohl zeitraubend als auch nicht unmittelbar auf praktische Problemlösung ausgerichtet. Aber spätestens jetzt, da die Krise merklich entschleunigt ist, ist es unbedingt an der Zeit, aus dem Ausnahmezustand auszubrechen und kritische Perspektiven wieder einzuplanen ‒ während die nationalen Regierungen und die internationalen Akteure der Ebola-Interventionen zum Alltag übergehen und endlich Erfolgsgeschichten präsentieren wollen.

Für das Zurückfinden zu kritischen Perspektiven bietet die bereits verfügbare ethnologische und soziologische Forschung zur humanitären und Entwicklungspraxis zahlreiche Anknüpfungspunkte und Wegweiser (vgl. etwa Mosse 2011; Donini 2012; Fassin 2012; Krause 2014). Speziell mit Blick auf den Kontext der Ebola-Epidemie wollen wir zudem konkrete Themenvorschläge machen.

Unsere Vorschläge lassen sich grob in den Fragen zusammenfassen, wie und mit welchen Konsequenzen und vor dem Hintergrund welcher machtvoll ausgeprägten Perspektiven die Lebensrealitäten der betroffenen Bevölkerungen auf den Ebola-Ausnahmezustand reduziert wurden. Denn mit dieser Reduzierung wird zugleich nahegelegt, dass effektive Ebola-Interventionen – zunächst humanitäre Hilfe und dann Entwicklungszusammenarbeit – die Lösung für die Probleme der Menschen in Sierra Leone, Guinea, und Liberia bereithalten. Dass solche Interventionen insbesondere in den Nachkriegsländern Sierra Leone und Liberia schon seit über einem Jahrzehnt laufen und die maroden (oder kaum existenten) Gesundheitssysteme mitproduziert haben, die aktuell in der Kritik stehen, wird offenbar nicht als Widerspruch wahrgenommen. Dies ist nur möglich, indem von der Reduzierung abweichende Stimmen systematisch überhört und als irrelevant und weltfremd aussortiert werden.

Eine zentrale Konsequenz dieser Problemverengung besteht zudem in der Ausblendung der Sehnsüchte und des Strebens vieler, wenn nicht sogar der meisten Menschen in den betroffenen Ländern nach einem Leben, das mehr zu bieten hat, als humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit erfahrungsgemäß im Angebot haben. Die darin (wenn überhaupt) enthaltenen und im Vergleich mit dem globalen Norden definitiv minderwertigen Ausbildungschancen, Gesundheitsmaßnahmen (von Gesundheitsversorgung kann eigentlich keine Rede sein) und ökonomischen Perspektiven haben längst an Anziehungskraft verloren. In allen drei meistbetroffenen Ländern hatten sich die Hoffnungen vieler Menschen deshalb längst auf (teils von Entwicklungsbanken mitfinanzierte) ausländische Direktinvestitionen in Bergbau und exportorientierte Landwirtschaft verlagert, die den Ländern in den letzten Jahren beeindruckende Wachstumszahlen beschert hatten. Außerdem sollten die Investitionen Arbeitsplätze, vielfältige ökonomische Spill-Over Effekte und Corporate Social Responsibility Projekte mit sich bringen. Allerdings wurden die hoch angesetzten Erwartungen und Hoffnungen auf spürbare Entwicklung vielerorts bereits enttäuscht: Es wurden sehr viel weniger und schlechter bezahlte Arbeitsplätze geschaffen als erwartet; Landverluste (inklusive der darin enthaltenen Ausfälle an Lebensgrundlagen) wurden oft nicht oder nicht angemessen entschädigt beziehungsweise Ausgleichzahlungen kamen nicht bei den Betroffenen an; und Protest wird nicht selten als Störung des Investitionsklimas verurteilt und sogar mit Polizeigewalt geahndet (vgl. etwa Menzel 2014; 2015; Schroven 2015; Millar 2015).

Die auf Ebola verengte Problemreduzierung wirft zudem die Frage auf, was von dem Aufbau „resilienter“, also widerstandsfähiger Gesundheitssysteme zu halten ist (vgl. etwa World Bank 2015), der für die meistbetroffenen Länder als zentraler Fokus zukünftiger Entwicklungszusammenarbeit angekündigt worden ist:

„The national governments, assisted by external partners, need to develop and implement strategies to make their health systems stronger and more resilient. Only then can they meet the essential health needs of their populations and develop strong disaster preparedness to address future emergencies.” (Kieny et al 2014)

Zunächst einmal mag sich das Adjektiv vielversprechend anhören – aber wogegen genau soll Widerstandsfähigkeit hergestellt werden? Und was genau bedeutet Widerstandsfähigkeit in der praktischen Umsetzung? Im schlechtesten Fall könnte sich hier ein Finanzierungskriterium abzeichnen, über das gezielt Projekte, Maßnahmen und Reformen bevorzugt gefördert würden, die nationale Gesundheitssysteme auf die Einhegung solcher Infektionskrankheiten vorbereiten, von denen sich auch die Bevölkerungen des globalen Nordens bedroht fühlen. Widerstandsfähigkeit würde dann bedeuten, dass auf internationale Gesundheitsnotfälle möglichst schnell und vor Ort (!) reagiert werden könnte. Nur als Beispiel: Für eine solche Entwicklung würde etwa sprechen, wenn zukünftig vergleichsweise hohe Investitionen in „contact tracing“ Systeme und Prozesse getätigt werden sollten, während die alltägliche Versorgung lokaler Bevölkerungen vernachlässigt wird. Dabei blieben die nicht auf Ebola-Bekämpfung reduzierbaren Hoffnungen auf spürbare Entwicklung und eine verlässliche medizinische Versorgung in Westafrika ganz eindeutig auf der Strecke.

Es gibt also viel zu tun. Der Kater muss überwunden werden.

 

Fußnoten

[1] Etwa „The AAA/Wenner-Gren Ebola Emergency Response Workshop“, 6.-7. November 2014 in Washington D.C.; EBODAKAR 2015 „Epidémie d’Ebola en Afrique de l’ouest: Approaches etno-sociales comparées”, 19.-21. Mai 2015 in Dakar; „Targeting Ebola World Congress 2015”, 28.-29. Mai 2015, Institut Pasteur Paris; “European Conference on African Studies”, 8.-10. Juli 2015 in Paris; MAgic 2015 „Anthropology and Global Health: interrogating theory, policy and practice“ an der Universität von Sussex, 8.-11. September 2015; „Beyond Ebola: knowledge production and the limitations of translation” am Max-Planck-Insitut für ethnologische Forschung in Halle, 28.-30. Oktober 2015.

[2] In der sierra-leonischen Verkehrssprache Krio lautete seine Aussage: „We dae pan normal suffering for now.“

[3] Für die Registrierung von Todesfällen wurden in Sierra Leone, Liberia und Guinea auch Beobachterteams eingesetzt, die in Guinea seit Ende Dezember 2015 nicht mehr bezahlt werden (Gespräche von Anita Schroven mit MitarbeiterInnen der nationalen und lokalen Ebola-Koordination in Guinea, Januar 2016). Wir vermuten, dass es in Sierra Leone und Liberia ähnlich aussieht. Somit besteht erst recht Ungewissheit darüber, ob gerade in abgelegenen Gemeinden noch verdächtige Todesfälle auftreten.

[4] Zum Zeitpunkt des Interviews hatte dieser Bekannte den NGO-Job bereits wieder aufgegeben. Das Interview wurde von Anne Menzel via Skype und auf Englisch im Rahmen des von Sharon Abramowitz initiierten und koordinierten Ebola 100 Projekts geführt, siehe http://www.ebola100project.net/ (Letzter Zugriff am: 12.01.2016).

[5] Vor diesem Hintergrund lässt sich auch nachvollziehen, dass die britische Ethnologin Juliet Bedford, die im Zuge der Epidemie für UNMEER tätig war, die Karrierechance für EthnologInnen in humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit weiterhin als eher mäßig bewertet. Sie äußerte sich hierzu in einem im September 2015 geführten Interview: „Ebola, Bedford said, has the potential to be a turning point in terms of the marketability of anthropologists in development, but it’s ‘not a sea change,’ she said. ‘What I do think it’s done is give the discipline greater visibility in development and humanitarian emergencies, and it has also given us a good platform to show how we add value and how qualitative data can be used alongside some of the harder scientific or medical epidemiological data,’ she added” (Lei Ravelo 2015).

[6] Mehr hierzu lässt sich direkt auf den Seiten der Plattform erfahren, siehe etwa: http://www.ebola-anthropology.net/about-the-network/ (Letzter Zugriff am: 20.01.2016).

[7] In Großbritannien wurde ethnologische Expertise zu Sierra Leone schnell über das gut positionierte Büro des Chief Scientific Adviser in die strategische Planung der national koordinierten Ebola-Interventionen eingebunden und es wurden einige als Policy-relevant erachtete Forschungsvorhaben finanziert. Jedes Ministerium ist mit einem wissenschaftlichen Berater/einer Beraterin ausgestattet, und diese wiederum arbeiten dem Chief Scientific Adviser der britischen Regierung zu (vgl. https://www.gov.uk/government/organisations/government-office-for-science/groups/chief-scientific-advisers, Letzter Zugriff am: 19.01.2016). In Frankreich und den USA wurde ethnologische Expertise trotz diverser Angebote nicht systematisch gefördert oder in die Ebola-Interventionen integriert, sodass sich unabhängige Dynamiken ergaben, die über Internetplattformen und persönliche Kontakte Informationen in die Einsätze bringen konnten.

 

Autorinnen

Dr. Anne Menzel hat an der Freien Universität Berlin studiert und dort auch ihre Dissertation zu unfriedlichen Beziehungen in Sierra Leone verfasst, die 2015 im transcript Verlag erschien. Nach der Promotion war sie für die NGO International Alert als Beraterin in Westafrika tätig und arbeitete am Zentrum für Konfliktforschung in Marburg zu ausländischen Direktinvestitionen, Entwicklungshoffnungen und Gewalt in Sierra Leone. Derzeit ist sie Lehrbeauftrage am Institut für Geschichte der Medizin in Gießen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle.

Dr. Anita Schroven forscht am Pasteur Institute zur Rolle der biomedizinischen Forschung in der Ebolakrise und arbeitet am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle/Saale, wo sie sich mit den sozio-politischen Dimensionen des Ebola-Ausbruchs in Westafrika befasst. Zu ihren weiteren Forschungsthemen gehören internationale Interventionen, Staat und Staatlichkeit, Geschlechterfragen, und die Erforschung von humanitären und Entwicklungsprojekten. Schroven ist Autorin von „Women After War“ (Münster: Lit Verlag, 2006) und verschiedener Artikel zu Guinea, Sierra Leone und Liberia.

 

Literatur

American Anthropological Association. 2014. Strengthening West African Health Care Systems to Stop Ebola – Anthropologists offer Insights. Workshop Recommendations. http://s3.amazonaws.com/rdcms-aaa/files/production/public/FileDownloads/pdfs/about/Governance/upload/AAA-Ebola-Report.pdf. Letzter Zugriff am: 17.01.2016.

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