Medizinethnologie

KontaktkulturEN: Ausstellung an der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum

Christiane Falge

Ausstellungseröffnung am 19.01.2016 | Sinan Yaman, 2016

Ausstellungseröffnung am 19.01.2016 | Sinan Yaman, 2016

Die Ausstellung KontaktkulturEN ist ein Gemeinschaftsprojekt von Prof. Christiane Falge, Prof. Christian Postert, Dr. Sandhya Küsters (alle drei hsg), dem Fotografen Sinan Yaman, Ariya Fehrest Avanloo (Ehli-Beyt-Moschee), Mathias Köllmann und Faruk Yilidrim (Quartier-Büro HUkultur) und Franziska Hahn (hsg). KontaktkulturEN wurde im Zuge der Eröffnungsfeier der Hochschule für Gesundheit und dem darauf folgenden Nachbarschaftstreff am Gesundheitscampus am 19.01.2016 eröffnet. Beide Ereignisse, Nachbarschaftstreff und Ausstellungseröffnung, dienten dem Ziel, die neu hinzugezogene Hochschule in der Nachbarschaft bekannt zu machen und ihre Mitglieder mit gesundheitlich relevanten Themen und Akteur*innen in der Metropole Ruhr und ihren Quartieren zu vernetzen.

Die übergeordnete Fragestellung des Ausstellungsprojekts beschäftigte sich damit, wie Flüchtlinge und Migrant*innen unsere Gesellschaft beeinflussen. Hierfür wurde an verschiedenen Bochumer Orten – sogenannten „Kontaktzonen“ – mit urbaner Diversität, im Sinne von multidiversen Bevölkerungsgruppen, interagiert. Obwohl die Presseresonanz der Ausstellung eher gering ausfiel, war die Eröffnung mit ca. 60 Gästen gut besucht. Die Heterogenität des Publikums reflektierte das Ausstellungsthema. Unter den Gästen waren Mitglieder verschiedener Migrant*innenorganisationen (Ely-Beyt Moschee, IFAK – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit), HUkultur, einige Flüchtlinge aus der Erstaufnahmeeinrichtung Lewackerschule, Hochschul-Professor*innen aus den Studiengängen Hebammenwissenschaften, Ergotherapie, Pflegewissenschaften, Physiotherapie, Gesundheit und Diversity, das Präsidium der Hochschule und interessierte externe Gäste. Grußworte wurden u.a. von Dr. Lars Tata gesprochen, einem Vertreter des städtischen Netzwerks UniverCity[1], das sich für wissensbasierte Stadtentwicklung engagiert. Dr. Tata begrüßte die Ausstellung und betonte, dass die Stadt Bochum als Gemeinwesen und auch als Hochschul- und Wissenschaftsstandort davon profitieren würde. Das in der Ausstellung vorgestellte Stadtteillabor, ein auf Langzeitforschung ausgerichteter, permanenter Feldforschungsort im Stadtteil, visionierte er als Einrichtung, an der sich perspektivisch alle Hochschulen der UniverCity Bochum beteiligen sollten.

 

Inhaltlicher Hintergrund von KontaktkulturEN[2]

Die Hochschule für Gesundheit verpflichtet sich in ihrem Leitbild dazu, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und zu verbessern (Leitbild hsg 2015: 1). Im Studiengang „Gesundheit und Diversity“ der Hochschule beschäftigen wir uns mit dem Aufbau von Strukturen, die eine Teilhabe benachteiligter Personen und Bevölkerungsgruppen am Gesundheits- und Sozialsystem fördern, um die Gesundheit dieser Gruppen zu verbessern. Mit benachteiligten Personen sind Menschen mit Diversitymerkmalen gemeint, insbesondere Personen, die auf Grund ihrer kulturellen Differenz[3] von einer vermeintlichen Norm abweichen (siehe auch Bruchhagen & Koall 2008: 939).

Mit Interesse werden die Exponate von klein und groß begutachtet | Sinan Yaman, 2016

Groß und Klein begutachten die Exponate mit Interesse | Sinan Yaman, 2016

Die Ausstellung KontaktkulturEN stellt einen ersten Schritt dar, am neu gegründeten Studiengang über die Zusammenhänge zwischen diesen kulturellen Differenzen und Gesundheit zu reflektieren. Als Ethnologin bin ich der Überzeugung, dass Kultur im Gesundheitswesen mitgedacht werden muss, um bestmögliche Gesundheitsstandards zu erreichen. Ethnolog*innen haben sich in Deutschland – bis auf wenige Ausnahmen (Schiffauer et al. 2002; Knecht 2008) – in der öffentlichen Diskussion um den Kulturbegriff bisher eher zurückgehalten (Falge & Weissköppel 2011). Sie verweisen entweder auf den inflationären Gebrauch des Kulturbegriffes im Zuge des rasanten Aufstiegs der Kulturwissenschaften (Lentz 2009: 306; Hörning 2008: 41) oder lehnen seinen Gebrauch als „unrettbar reifiziert, diffus und machtblind“ grundsätzlich ab (Hann 2007 und Kuper 2006, zitiert in Lenz 2009: 306; Hann 2007: 125).

In KontaktkulturEN nutzen wir einen erweiterten Kulturbegriff, mit dem wir essentialisierende Vorstellungen über Kultur und kulturelle Differenz aufbrechen möchten. Letztlich ist die Ausstellung aber auch ein Impuls, eine ethnologische Perspektive auf Kultur sowie die Nutzung ethnografischer Methoden in den Gesundheitswissenschaften und an unserer Hochschule anzuregen (Napier et al. 2014). Wir möchten auf (medizin)-ethnologische Perspektiven aufmerksam machen und versuchen, diese Perspektiven in den Gesundheitswissenschaften und der Medizin zu stärken.

Dieses Anliegen knüpft an eine Veranstaltungsreihe der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV) zum Thema „Ethnologie und Öffentlichkeit“ an, die in den Jahren 2009 und 2011 stattfand und die ethnologische Perspektiven auf die Themen „nachholende Integration“ und „Diversity Management“ in öffentlichen Institutionen diskutierte (Dorsch 2009; Falge & Weissköppel 2011). Auf einer dieser Veranstaltungen mit dem Titel „Interkulturelle Kompetenzen im Gesundheitswesen: Notwendigkeit oder Luxus?“ äußerten medizinische Expert*innen zur Optimierung der gesundheitlichen Versorgung von Migrant*innen den Wunsch nach ethnologischem Fachwissen, insbesondere zum Kulturbegriff. Sie schlugen in diesem Zusammenhang vor:

„die Fächer Ethnologie und Kulturwissenschaft stärker in die Curricula des Medizinstudiums bzw. von Pflegeberufen einzubinden, einschließlich der Durchführung von Feldforschungspraktika“ (Falge & Weissköppel 2011: 191).

Auch wenn sich die Umsetzung dieses Vorschlags in den medizinischen und/oder pflegerischen Ausbildungs-Curricula wenig zeigt, haben sich vereinzelte Mediziner*innen und Ethnolog*innen etwa an der Akademie für Ethik in der Medizin und im Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen darum bemüht, die oben genannten Fächer in der Medizin und Pflege zu stärken (Peters et. al. 2014; Knipper et. al. 2015). Für den Bereich Pflege sei an dieser Stelle auf die praktische Arbeit des Instituts für Migration, Kultur und Gesundheit (AMIKO) verwiesen, dessen Schulungen zur Interkulturellen Kompetenz seit mehr als 10 Jahren in den Curricula von Pflegeausbildungen im südwestdeutschen Raum verankert sind. An der Hochschule für Gesundheit in Bochum, wo der Zugang zu Gesundheit und Wohlbefinden ebenfalls in Verbindung mit Diversity gedacht wird, bemühe ich mich gemeinsam mit Kolleg*innen darum, eine medizinethnologische Perspektive auf Kultur zu initiieren. Der Bogen zwischen „Kontaktkulturen“ bzw. dem Kulturbegriff und dem Studieninhalt „Diversity“ entfaltet sich dabei sowohl entlang der alt bekannten Diversity-Aufforderung, kulturelle Identitäten als Ressource anzusehen, als auch im Zusammenhang mit der Multikulturalismus-Forderung nach Gruppenrechten (Baumann 1999; Appiah 2005; Baumann & Vertovec 2011; Kusters 2015).

Rund 60 Gäste besuchten die Eröffnung | Sinan Yaman, 2016

Rund 60 Gäste besuchten die Eröffnung | Sinan Yaman, 2016

In unserer Ausstellung schwingt daher auch die Frage mit, wie und ob das Diversity-Konzept zu einer starken Basis für die Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Gruppen mit Diversity-Merkmalen werden kann. Für eine Hochschule für Gesundheit ist dies ein wichtiger Ansatz, weil die Förderung kultureller Identitäten und Rechte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden und somit der Gesundheit dieser Gruppen steht. Der Diversity-Begriff wird seit den 1990er Jahren sowohl in profit-orientierten als auch in nicht profit-orientierten Unternehmen eingesetzt. Er ist zunehmend in sozialen, klinischen und bildungsrelevanten Institutionen angekommen (Ehret 2010) und ist in verschiedenen Wissenschaften, u.a. der Ethnologie und der Migrationsforschung en vogue (Faist 2014). Sogenannte Diversity-Beauftragte werden nicht mehr im Zuge von Anti-Diskriminierungs-Beschwerden berufen, sondern gehören oftmals von vornherein zum „Grund-Inventar“ von Institutionen. Im Zuge einer Unterordnung des moralischen Impetus von Diversity unter eine gewinnorientierte unternehmerische Logik (Bendl 2007:10) wird jedoch kritisiert, dass der Diversity-Begriff und damit einhergehende Konzepte im deutschsprachigen Raum mehrheitlich ökonomisch dominiert werden (Ehret 2010: 47).

Von diesen ökonomisierenden Diskursen distanzieren wir uns, indem in unserem wissenschaftlich ausgerichteten Handeln nicht Rendite, sondern soziale Gleichheit und Anti-Diskriminierung an erster Stelle stehen. Auf der Basis eines erweiterten Kulturbegriffs setzen wir den Diversity-Begriff im Zusammenhang mit der politischen Forderung ein, gesundheitliche Ungleichheit in multidiversen Gesellschaften auszugleichen. Diversity beinhaltet in diesem Sinne unterschiedliche relevante Kulturunterschiede, die sich auf Herkunft/Migration, Gender, Ethnizität, Milieu, Religion, Alter und sexuelle Orientierung beziehen können. In diesem erweiterten Kulturverständnis gelten nicht nur Glaubenssysteme als kulturell, sondern auch die Objektivitätsunterstellungen, welche unsere Ansichten über lokale und globale Gesundheit, Gesundheitsfürsorge und medizinische Versorgung durchdringen.

Mit diesem Kulturverständnis schließen wir an den kürzlich erschienenen Lancet Report „Culture and Health“ an (Napier et. al. 2014). Hier werden u.a. auch klinische Kulturen und Pflegekulturen, und „Kulturen der Biomedizin“ – in denen etwa Migrant*innen im Kontext ihrer jeweiligen kulturellen, strukturellen und gesellschaftlichen Überschneidungen spezifische Gesundheitserfahrungen machen – einbezogen. Auf der Basis dieses erweiterten Kulturbegriffes thematisiert die Ausstellung urbane Diversität im Kontext von Gesundheit. Konkret gibt sie Einblicke in verschiedene zu berücksichtigende Beziehungen oder Kontaktzonen aus dem Themenbereich Diversity/Kultur und Gesundheit: zum einen in studentische ethnografische Interviews über Gesundheitserfahrungen von hinduistisch und muslimisch geprägten Migrant*innen und zum anderen in das im Aufbau befindliche, kollaborative Stadtteillabor als einem Ort der partizipativen Langzeit-Gesundheitsforschung und Lehre in einem multidiversen Stadtteil.

 

„Stadtteillabor“ und „Religion und Gesundheit“

Der Ausstellungsteil über das Stadtteillabor[4] dokumentiert, angelehnt an Niewöhner (2014: 192), den Aufbau eines Stadtteillabors im Sinne eines gesellschaftlichen Selbstexperiments, das im Modus eines Realexperiments wissenschaftliches Wissen auswildern soll. Mittels eines kollaborativen ethnografischen Forschungsansatzes (Sykes & Treleaeven 2009; Phillimore & Goodson 2008; Speed 2006) wird sich hier mit Fragen zu gesundheitlicher Gerechtigkeit und zur Verbesserung gesundheitlicher Verhältnisse beschäftigt. Es wird der Frage nachgegangen, wie Wissen erzeugt werden kann, das gesellschaftliche Diversität repräsentiert und gesellschaftliche Veränderung mitbewirkt. Das Labor liegt in dem sozial benachteiligten Bochumer Stadtteil Hustadt, der sich aus einer superdiversen (Vertovec 2007) Nachbarschaft zusammensetzt. In der Ausstellung werden bisherige Defizite ethnografischer Forschung anhand des Stadtteillabors thematisiert und es wird aufgezeigt, wie durch gemeinsame, gegenseitig reflexive Forschung von akademischen und nicht-akademischen Forscher*innen und Studierenden relevantes Wissen für Stadtentwickler*innen, Gesundheitsversorger*innen, Anwohner*innen und Wissenschaftler*innen produziert werden kann.

Der Ausstellungsbereich „Lehre im Stadtteil“ zeigt, wie eine ethnologische Perspektive auf Gesundheit gestärkt werden kann, indem Lehrveranstaltungen in urbane Räume, konkret in die Räume des Stadtteillabors, verlegt werden. Auch dies ähnelt der von Niewöhner oben erwähnten „Auswilderung“ wissenschaftlicher Praktiken in die Gesellschaft. Wissenschaftliches Wissen soll, so Niewöhner (2014: 194), eine neue Rolle spielen, um die Herstellung von Wissen transparenter und zugänglicher zu gestalten. In meinem Lehrexperiment „wildere“ ich Lehre gewissermaßen in urbane Räume aus, damit Studierende Einblick in relevante Alltagsrealitäten multidiverser Bevölkerungsgruppen erhalten und Anwohner*innen Hochschule erleben. Dies geschieht für Studierende durch das Eintauchen in die Alltagswelt des urbanen Raumes und die Aneignung impliziten (verkörperten) Wissens (Polanyi 1985). Indem sie wöchentlich in urbane Räume pilgern, z.B. während einer Vorlesung in der Ely-Beyt Moschee mit den Moscheemitgliedern Tee trinken oder am Mittagstisch des Quartiersbüros HUkultur teilnehmen, wird Kontakt auf Augenhöhe ermöglicht. Über die Bilder nimmt der Besucher der Ausstellung an diesen ethnografischen Begegnungen teil und liest die gemeinsam von den Gastgeber*innen im Stadtteil, den Studierenden und Wissenschaftler*innen erstellten Texttafeln. Als Reflektionen oder Rückwirkungen dieser Begegnungen dokumentieren die Tafeln und Bilder einen Prozess der Annäherung und inspirieren dazu, verschiedene Perspektiven auf Gesundheit, Krankheit und Alltagsrealität einzunehmen.

Christiane Falge eröffnet die Ausstellung | Sinan Yaman, 2016

Christiane Falge eröffnet die Ausstellung | Sinan Yaman, 2016

Die Studierenden, die aus der bequemen Hochschule in das Labor im Quartiersbüro umziehen mussten, sind geteilter Meinung über diese „Auswilderung“. Da im Quartiersbüro gekocht wurde, roch ihre Kleidung nach den Lehrveranstaltungen nach Essen; mangels Tischen mussten sie auf dem Schoß schreiben und ihre Konzentration wurde teilweise durch hereinkommende Bewohner*innen gestört. Einige der Studierenden wünschten sich in die bequeme Hochschule zurück. Häufiger wurde jedoch der Wunsch geäußert, die Kontakte zu Anwohner*innen zu intensivieren, um Einblicke in ihre matters of concern (Niewöhner 2014: 194) zu erhalten. Denn Interaktionen mit Anwohner*innen begrenzten sich zeitlich auf kurze Sequenzen vor oder während des Seminars und räumlich auf den Platz vor dem Labor, wo auf den gepolsterten Bänken des Quartierbüros geraucht und geredet wurde. Hier steht an, Konzepte zu entwickeln, die Interaktion fördern, ohne dabei die Anwohner*innen der Hustadt zu kolonialisieren.

Der Ausstellungsbereich „Gesundheit und Religion“ wiederum entstand im Kontext einer Exkursion zum Hindu-Tempel Hamm, während der Studierende über Interviews mit dem Tempelpriester und Gemeindemitgliedern die integrativen Potentiale von Migrant*innenorganisationen und deren Bedeutung für ihre Gesundheit kennen lernten.

In meiner Vorlesung „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ in der Ely-Beyt Moschee habe ich überwiegend das Forschungsinstrumentarium Ethnografie unterrichtet und Studierende in den begleitenden Übungen ethnografische Methoden praktizieren lassen. Studierende führten ethnografische Interviews mit den Moscheemitgliedern und verfassten Hausarbeiten auf der Basis ethnografischer Daten-Erhebungen. In der Ausstellung werden Interviewausschnitte aus diesen Zusammenhängen sowie Auszüge aus Hausarbeiten zum Thema „Moscheen und Integration“ und „Moscheen als informelle Gesundheitslotsen“ gezeigt. Diese Exponate geben Einblicke in Gesundheitserfahrungen und -praktiken und Gesundheitsvorstellungen von Migrant*innen in unserem Gesundheitssystem wie etwa transnationale Gesundheitspraktiken, Sprachbarrieren, Diskriminierung, inter-ethnische Unterstützungsnetzwerke und die Nutzung kultur-eigener Ressourcen. Sie bleiben unkommentiert und lassen dem Leser somit Interpretationsspielraum für Aussagen, die teilweise sehr offen formuliert wurden. Offen bleibt etwa, wie gewisse Verhaltensweisen von Ärzt*innen gegenüber Patient*innen mit Migrationshintergrund gemeint waren und ob diese im Zusammenhang mit der Herkunft der Patient*innen und Angehörigen stehen oder nicht. Nicht eindeutig waren auch die Vorlieben für ein bestimmtes Gesundheitssystem im transnationalen Raum von Migrant*innen. Die Erhaltung dieser Uneindeutigkeit soll Essentialisierungen vorbeugen und den Fokus auf die Vielstimmigkeit gesellschaftlicher Heterogenität legen.

 

Perspektiven

Durch ihre Aufteilung in die Bereiche „Religion und Gesundheit: Gesundheitserfahrungen von Bochumer Hindus und Muslimen“ und „Stadtteillabor: Forschung und Lehre“ verweist die Ausstellung KontaktkulturEN auf thematische Schwerpunkte an der Hochschule bzw. am Studiengang Gesundheit und Diversity. Der Themenbereich Religion und Gesundheit soll in Zukunft weiter ausgeweitet werden, etwa in Form von geplanten Kooperationen mit religiösen Institutionen wie dem Hindu-Tempel. Ziel solcher Kooperationen sind eine gegenseitige Stärkung gesundheitlicher Wissensstände und kontinuierliche Einblicke in die Thematik Gesundheit/Wohlbefinden und Krankheit aus migrantischer Perspektive.

Perspektivisch soll das Stadtteillabor zu einem festen Bestandteil der Hochschule werden, an dem in den nächsten 12 Jahren kollaborative, interdisziplinäre Forschungs- und Lehrprojekte entstehen und weiter entwickelt werden. Die Verlagerung von Lehrveranstaltungen bleibt ein Experiment mit offenem Ausgang.

 

Ausstellungsexponate

 

Fußnoten

[1] UniverCity ist ein Verband der Stadt Bochum und acht Bochumer Hochschulen. Er verfolgt das Ziel, Verbindungen zwischen Kommune und Wissenschaft herzustellen sowie die Sichtbarmachung von Hochschule als gestaltendem Akteur in der Stadt zu befördern.

[2] Das EN in KontaktkulturEN soll die Heterogenität des Kulturbegriffs hervorheben und möchte auf den erweiterten Kulturbegriff, der dieser Ausstellung zu Grunde liegt, hinweisen.

[3] Meine Definition von kultureller Differenz bezieht sich hier auf alle von einer vermeintlichen Norm abweichenden Diversity-„Kulturen“ wie etwa sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung etc.

[4] Für die Idee eines Stadtteillabors wurde ich maßgeblich von Jenny Phillimoore und Lisa Goodson, University of Birmingham, und von Michi Knecht, Universität Bremen, inspiriert, die alle an ähnlichen Laboren arbeiten oder sie aufbauen und denen ich an dieser Stelle für unseren kollegialen Austausch danken möchte.

 

Zur Autorin

Christiane Falge promovierte an der Universität Halle Wittenberg und am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle über die „Global Nuer“ und ist seit September 2014 Professorin für Gesundheit und Diversity an der Hochschule für Gesundheit Bochum. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich Diversity, urbane Migration und gesundheitliche Ungleichheit. Gemeinsam mit Kolleg*innen entwickelt sie derzeit am neu gegründeten Forschungsinstitut für Angewandte Gesundheitswissenschaften der Hochschule für Gesundheit die Säule „Kultur und Gesundheit“ und richtet gemeinsam mit Prof. Dieter Haller, Prof. Andreas Meyer und Prof. Gudrun König die Vorlesungsreihe „Kulturelle Differenz: Ethnologie an den Hochschulen des Ruhrgebiets“ aus. Zu ihren Publikationen gehören: Falge, C. (2016): The Global Nuer. Transnational Life, Religious Movements and War. Köln: Rüdiger Köppe Verlag; Falge, C., Ruzza, C., & Schmidtke, O. (2012): Migrants and Health. Political and Institutional Responses to Cultural Diversity in Health Systems. Farnham, Surrey: Ashgate; Falge, C., & Zimmermann, G. (Hg.) (2009): Interkulturelle Öffnung des Gesundheitssystems. Baden-Baden: NOMOS.

 

Literatur

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