Medizinethnologie

„Die Vermessung des Unmenschen“: Zur Darstellung von Rasse und Rassismus in einer Dresdner Ausstellung

Forschungsgruppe Anthropologie globaler Ungleichheiten, Institut für Sozial- und Kulturanthropologie, FU Berlin

Ausstellungsansicht „Die Vermessung des Unmenschen: Zur Ästhetik des Rassismus“, Lipsiusbau, Dresden, 13. Mai bis 7. August 2016, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Adrian Sauer

Ausstellungsansicht „Die Vermessung des Unmenschen: Zur Ästhetik des Rassismus“, Lipsiusbau, Dresden, 13. Mai bis 7. August 2016, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Adrian Sauer

Die Ausstellung „Die Vermessung des Unmenschen: Zur Ästhetik des Rassismus“ fand vom 13. Mai bis 7. August 2016 im Dresdner Lipsiusbau statt. Zentral an den Brühlschen Terrassen gelegen und kostenfrei zugänglich, wurde hier ein breites Publikum mit einer Dimension des Rassismus konfrontiert, die in der medialen Fokussierung auf „ausländerfeindliche“ Pegida-Aufmärsche kaum berücksichtigt wird: nämlich die Verquickung von wissenschaftlicher Praxis und Ästhetik in der Rasseforschung des frühen 20. Jahrhunderts. Ziel der Ausstellung und des umfangreichen Begleitmaterials in Form einer kostenlosen Zeitung (ISBN 978-3-944555-02-7), die im Wesentlichen vom alleinigen Kurator Wolfgang Scheppe konzipiert und realisiert wurden, war die Ausleuchtung des Verhältnisses „wissenschaftlicher Herleitungsversuche von Rasse und volkstümlicher rassistischer Vorstellungen“ (Scheppe 2016: 1). Damit macht der Kurator auf einen wichtigen Zusammenhang aufmerksam, der auch für unsere Arbeitsgruppe „Anthropologie globaler Ungleichheiten“, aus der dieser Text hervorgegangen ist, zentral ist: Für eine Kritik rassialisierender Praktiken und ihrer politischen Folgen greift der moralische Vorwurf des Rassismus zu kurz; vielmehr kommt es darauf an, die Konzeption und Zirkulation des Wissens über „Rasse“ innerhalb etablierter Wissenschaften selbst in den Blick zu nehmen. Aus diesem Grund wollen wir die Ausstellung rückblickend reflektieren und dabei die Schwierigkeiten beleuchten, die mit der Darstellung dieses komplexen Verhältnisses verbunden sind.

Das umfassende ethnologische und anthropometrische Archiv des Völkerkundlers und Anthropologen Bernhard Struck (1888-1971), das Wolfgang Scheppe nach eigener Angabe im Depot des Dresdner Völkerkundemuseums gefunden hat, scheint für ein solches Projekt besonders geeignet, bringt es doch die unterschiedlichen und widersprüchlichen Dimensionen von „Rasse“ und Rassismus zusammen. Struck hatte in seiner Zeit als Direktor des Museums für Völkerkunde Dresden (1913-1936) und später als Professor für Anthropologie und Ethnologie an der Universität Jena (1936-1969) ein beachtliches Konvolut von Bild- und Datenmaterial angelegt. Das präsentierte Material geht zum einen auf seine eigene Forschung zurück. Zum anderen handelt es sich, vor allem beim Bildmaterial, um von ihm Zusammengetragenes aus anderen Forschungsunternehmen, aber auch Ausrisse aus zeitgenössischen Illustrierten. In der Zusammenschau von Typologisierung und Exotisierung, Vermessung und Pornografie, Datenwahn und Zufallsfund, Serie und Sonderfall, Ethnographica und Tonaufnahmen ist es charakteristisch für die Multiplizität und Ungreifbarkeit des Wissensgegenstandes Rasse, seiner Konstitution und Wirkmächtigkeit.

Die Aushebung und Zugänglichmachung dieses Archivbestands dient nicht allein der Illustration dieser Mehrdimensionalität. Er ist darüber hinaus vor allem für ein sozialanthropologisch geschultes Fachpublikum interessant, wird hier doch die Verschränkung von Ethnografie, Linguistik, Archäologie und physischer Anthropologie verdeutlicht, die das Fach in seinen Anfängen prägte. Für den Kurator Scheppe liegt genau in dieser Verschränkung der Beleg für die Pseudowissenschaftlichkeit der Struckschen Praxis, die er klar von dessen Vorgängern wie Camper und Blumenberg sowie seinen Zeitgenossen Meinhoff, Boas und von Luschan abgrenzt. Letztere werden als akademische Schwergewichte und wissenschaftliche Autoritäten der Figur Struck gegenübergestellt. Sein Schaffen wird als wahnwitziger Datenexzess ohne inhaltlichen Gehalt und wissenschaftliche Rechtfertigung bzw. Analyse inszeniert.

Im Fokus der Ausstellung und der Publikation steht das Paradox von schier endloser Materialfülle unterschiedlichster Provenienz und dem gescheiterten Versuch, diese in die Formelhaftigkeit wissenschaftlicher Präzision zu pressen. „Rasse“, ebenso wie die anthropologische Rasseforschung, erscheinen als Fiktion. Der wissenschaftliche Nimbus und die vermeintliche Objektivität der Rasseforschung legitimierten jedoch rassistische Politik und hatten damit reale Folgen – wie die Ausstellung im Hinblick auf die Kontinuitäten der NS-Rasseforschung selbst belegt.

Allerdings produziert die ästhetische Fokussierung und hermetische, elitär-distanzierte Darstellung, mit der Scheppe sich der Problematik annähert, eine Reihe von Problemen. Wie wir im Weiteren zeigen werden, bleibt dabei die Auseinandersetzung mit aktuellen Debatten um Rasse und Rassismus in Wissenschaft und Öffentlichkeit unbefriedigend. Und dies obwohl, oder gerade weil, der Autor/Kurator einen klaren aufklärerischen Impuls verfolgt. In den meisten der uns bekannten Rezensionen, die anlässlich der Ausstellungseröffnung erschienen, wird die Schau Scheppes gelobt oder unkritisch dargestellt.[1] Wir hingegen möchten mit unserem Beitrag in den breiteren Diskurs um Rasse und Rassismus intervenieren, indem wir insbesondere auf drei Aspekte hinweisen, die uns kritikwürdig erscheinen: erstens, die Repräsentationspolitik der Ausstellung selbst; zweitens, die zugrundeliegende Konzeption des Verhältnisses von Wissenschaft, Ästhetik und Politik und drittens, das Verhältnis von Material, kuratorischer Autorität und Publikum. Dabei orientieren wir uns an der gezeigten Schau, der Begleitpublikation und der offiziellen Führung, die wir für unseren Ausstellungsgang in Anspruch nehmen durften. Damit diskutieren wir einerseits exemplarisch das Problem der Repräsentation, wie wir es in diesem Projekt wahrnehmen. Andererseits möchten wir unseren Beitrag als Anregung für zukünftige Ausstellungsprojekte (beispielsweise die für 2018 geplante Ausstellung zu Rasse und Rassismus im Dresdner Hygiene-Museum) verstehen – zahlreiche der Fallstricke, die in der „Vermessung des Unmenschen“ gespannt wurden, lassen sich unseres Erachtens vermeiden.

 

Repräsentationspolitik

Die Ausstellung empfängt die Besucher*innen mit einer überlebensgroßen Skulptur des Bildhauers Emmanuel Frémiet („Gorilla enlevant une femme [Gorilla, eine Frau raubend]“, 1887). Eingefasst wird diese Skulptur von einer Fotoarbeit des Künstlers Fabio Mauri und einer Videoinstallation Scheppes mit Ausschnitten aus Arnold Fancks Bergfilmen aus den 1920er/30er Jahren. Die Skulptur, die den Tiervergleich als Kernstück der „Ästhetik des Rassismus“ ausmacht, wird mit einer Maske des Appollo kontrastiert, die am Ende der Ausstellungshalle in unerreichbarer Höhe angebracht ist.

Nach dieser Eingangssituation eröffnet der große Ausstellungsraum im Lipsiusbau mit neun langen, weiten Tischen, auf denen eine Auswahl des ca. 50.000 Bilder umfassenden Bildarchivs Strucks und seines Schülers Herbert Bellmann ausgebreitet ist. Im ersten Moment ist der Blick – von oben auf die hüfthoch gelegenen Tische schauend – überfordert von der schieren Menge der Bilder. Aufnahmen der Vermessung menschlicher Körper, Tier- und anthropometrische Fotografien von Menschen liegen angeordnet neben pornografischen Aufnahmen nackter weiblicher Körper und körperlicher „Missbildungen“. Eine Ordnung der Bildermasse versucht eine Art Kapitelstruktur an den schwarzen Einfassungen der Tische, die zugleich als Kategorisierung und kritische Kommentierung fungiert: „Der Vermessende als Maßstab“, „Vermessung und Verdinglichung, das Phantasma der Primitivität“, „Tiervergleich und der Affe als Argument“, „Analogie und Aneignung von Kulturen“, „Die Bürde des schwarzen Mannes“, „Der Fetischismus des Befremdlichen“, „Wissenschaftlicher Voyerismus und Ethnopornografie“, „Die Bildhandlung der Evidenz“. Zitathaft werden hier Themen kritischer Rassismusforschung aufgegriffen, jedoch nicht weiter erklärt oder argumentativ strukturiert.

Eine Auswahl aus dem Bildarchiv von Bernhard Struck und Herbert Bellmann wurde auf Tischen präsentiert, Foto: Regina Sarreiter

Eine Auswahl aus dem Bildarchiv von Bernhard Struck und Herbert Bellmann wurde auf Tischen präsentiert, Foto: Regina Sarreiter

An den Wänden des Raumes befinden sich Glasbildnegative, die auf die Zwillingsforschung des NS-Anthropologen und Struck-Freundes Michael Hesch in den 1930er Jahren zurückgehen. In drei Nischen, vom Hauptraum abgetrennt, befasst sich die Ausstellung mit der von Struck betriebenen Vermessung menschlicher Körper. Exemplarisch für das Instrumentarium anthropometrischer Praxis hängen an den Nischenwänden Vermessungs- und Abgleichsinstrumente wie Rudolf Martins Augenfarben- und Felix von Luschans Hautfarbentafel, sowie ein sogenannter Tasterzirkel zur Vermessung des Schädelumfangs. Eine Nische weiter lehnen an der Wand in große Holzrahmen gefasst aufgrund ihrer Dichte und Menge kaum zu erfassende Reihungen von Vermessungsdaten Strucks rassenkundlicher Untersuchungen.

In der ersten Etage werden die Besucher*innen recht unvermittelt mit zwei Reihen von kolorierten Abformungen menschlicher Köpfe[2] konfrontiert, die durch ein Absperrband[3] vom Raum der Betrachter*innen getrennt werden. Im gegenüberliegenden Trakt nähert sich die Ausstellung den unsortierten Beständen des Bild- und Textarchivs Strucks, dessen linguistischen Kategorisierungsversuchen und den Resultaten einer Sammelreise ins heutige Guinea-Bissau, die Struck 1930/31 zusammen mit Hugo-Adolf Bernatzik unternahm. Oben wiederholt sich die Geste der Reihung. Auf eine Sammlung der Größe nach sortierter geflochtener Körbe aus Guinea-Bissau folgt eine Anordnung sogenannter Seelenfiguren, die ebenso auf Strucks und Bernatziks Expedition zurückgehen.

Das Ziel der Ausstellung ist es, die „Ästhetik“ des Rassismus, die Herstellung von „Rasse“ durch Visualisierungstechniken zu zeigen. In seiner Auseinandersetzung entscheidet sich der Kurator ebenfalls für einen ästhetischen Zugang, der die Betrachterin zugleich distanziert und zur Komplizin des rassialisierenden Blicks macht. Die Vermessungsdaten, Graphen und Fotocollagen werden in schweren Holzrahmen präsentiert, die nicht gehängt, sondern gegen die Wände gelehnt stehen. Als wären sie das von Eugen Fischer propagierte potentielle Material für „den ziffernmäßigen Nachweis“[4]. Die gerahmten Vermessungsinstrumente dagegen sind mit warmen Spots Kunstwerken gleich inszeniert. Die epistemische – manchmal auch physische – Gewalt des Vermessungsakts scheint wie wegretuschiert.

Zwar finden sich im Display vereinzelt Referenzen auf jüngere Beispiele von Ausstellungen, die sich mit dem Erbe und den Beständen ethnologischer Sammlungen beschäftigen[5]. Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Debatten um Repräsentationspolitik bleibt der Kurator jedoch schuldig. Besonders problematisch wird dies im Zeigen der abgeformten Köpfe. Weder thematisiert Scheppe hier den liminalen Status von Körperabformungen zwischen „human remains“ und Objekt, noch wird an irgendeiner Stelle der Ausstellung auf die Sensibilität des Materials (auch bei den Fotografien) verwiesen. Ebenso wenig wird nachvollziehbar gemacht, wie sich die Entscheidung zu dieser Darstellung begründet. Die bereits erwähnte Sortierung der Köpfe nach Hautfarben reproduziert die angeprangerte rassialisierende Ästhetik, ohne deren kategorisierende und damit auch hierarchisierende Effekte aufzuheben – immer noch populäre Repräsentationslogiken werden vielmehr bestätigt. Soweit bekannt, nennen die Ausstellungstafeln zwar die Namen der abgeformten Personen und versuchen sie, so der Ausstellungstext, aus der Negation des Individuums herauszuführen. Die hierarchisierende Reihung nach Hautfarbe und das aktuell weithin diskutierte Zeigen von Körperabformungen[6] übernimmt der Kurator jedoch unkommentiert.

Die Ausstellungsbesucher*innen werden so erneut in die Rolle der Betrachter*innen objektivierter Darstellung und Kategorisierung von Menschen gebracht – der Fokus wird somit eben nicht auf die Personen gelenkt, welche diesen rassistischen Blick produzierten, formten und ihm folgten. Bildunterschriften allein reichen nicht aus, um das Schauen zu verändern. Eine kritische Untersuchung wissenschaftlicher und, wie im Anliegen der Ausstellung, ästhetischer Praxis impliziert eine (selbst-)reflektierte Repräsentationspolitik, die die Ausstellung schuldig bleibt.[7]

So schafft es die Ausstellung nicht, den rassialisierenden Blick zu dekonstruieren. Vielmehr reproduziert sie genau das, was sie anhand ihres Protagonisten Bernhard Struck zu beleuchten versucht: Objekte nach ästhetischer Bewertung aufzureihen. Sie verpasst es, einen Vorschlag zu machen, wie mit dem Material und seinen historischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Implikationen umzugehen sei. Eine ästhetisierte Darstellung vermag es zwar, den Blick der Betrachterin für den Versuch einer Methode, menschliche Körper und kulturellen Ausdruck zu untersuchen und darzustellen, zu öffnen, manchmal diesen auch – wie im Falle von Struck vorgeführt – bis ins Absurde zu führen. In der Ausstellung fehlt jedoch der entscheidende Schritt, der wahrnimmt und problematisiert, wie und unter welchen Umständen das Material, auf das wir schauen, entstanden ist und wer dort vermeintlich dargestellt wird. Der Datensatz eines vermessenen Körpers, der oftmals gegen den Willen der vermessenen Person erfolgte, und dessen Kategorisierung sind immer ein Ausdruck von Macht über diesen Körper. Solange dieses Verhältnis und ein verantwortungsvoller Umgang damit weder in Institutionen wie Museen und Archiven, die derartige Sammlungen zu ihren Beständen zählen, noch im öffentlichen Diskurs als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, muss es thematisiert und problematisiert werden.

 

Wissenschaft, Ästhetik und Politik

Bernhard Struck wird von Scheppe in der Ausstellungszeitung auf der einen Seite als „exemplarisch“ (Scheppe 2016: 21) und als „Kind dieser Zeit“ (ibid: 17) bezeichnet. Andererseits schlügen in Abgrenzung zu seinen Lehrern „alle Versuche, seine Positionen als Wissenschaftler aus den Umständen seiner Zeit abzuleiten und sich so mit ihm zu versöhnen […] fehl“ (ibid: 18). Als exemplarisch gilt er dem Kurator aufgrund eines seinem Forschungsschaffen zu Grunde liegenden theoretischen Fehlers, der „politisch instrumentalisiert wurde“ (ibid: 21): Der Fehler bestünde darin, „Soziales“ oder „Kulturelles“ biologisch-quantitativ erklären zu wollen. Gleichzeitig wird Strucks Wissenssammlung als „pseudowissenschaftliches Wahnsystem“ (ibid: 17) abgetan. Struck habe sich, so die letzte Ausstellungstafel, „verzettelt“. Er erscheint als gescheiterte Witzfigur, dessen pedantisches Wissenschaftstreiben anachronistisch war. Er habe seinen Lehrern von Luschan und Meinhof hinterhergehinkt und andere Wissenschaftler wie Boas und Kruse ignoriert, welche, so Scheppe, die soziobiologische Kategorie „Rasse“ endgültig falsifiziert und in die hintersten Kammern der Wissenschaftsgeschichte verstaut hätten.

Problematisch an dieser Darstellung ist zunächst die Beschreibung Strucks als unpolitischer Wissenschaftler, dessen Wissensprodukte erst durch „politische Instrumentalisierung“ rassistisch wurden: als solcher habe er sich zwar theoretisch verirrt, aber damit noch lange nicht „bösartig“ oder „unethisch“ gehandelt. Hierin liegt zweifellos ein wichtiges Argument – nämlich, dass die Problematik von Rasseforschung nicht allein in einer rassistischen Intentionalität zu suchen sei. Zugleich trennt Scheppe jedoch die Bereiche Wissenschaft und Politik klar voneinander ab und negiert dabei, dass wissenschaftliche Praktiken immer auch politisch sind. In ihnen werden bestimmte Wahrheiten hergestellt, welche das Weltbild und das Handeln Anderer mitbestimmen oder gar erst ermöglichen. Zudem wird in der Darstellung Scheppes vernachlässigt, dass Struck Zeit seines Lebens als Direktor des Dresdner Museums für Völkerkunde und später als Professor in Jena wichtige Positionen in der Wissenschaft besetzte und damit am disziplinären Diskurs beteiligt war.

Scheppe bemüht wiederholt die Kategorien „wahr“ und „falsch“, indem er sich auf wissenschaftliche Autoritäten beruft. Zuschauer*innen und Leser*innen müssen dabei lediglich auf seine Urteilskraft vertrauen, denn Argumente werden nicht vertiefend dargestellt. So heißt es etwa in einer Anmerkung zu Stephen J. Goulds Werk „Der falsch vermessene Mensch“, Thomas Junker habe in einem Artikel zur Geschichte der physischen Anthropologie „Goulds falsche Implikationen zu Blumenback korrekt widerlegt“ (Scheppe 2016: 16, Anm. 66). Weder Goulds noch Junkers Thesen werden dabei herangezogen. Was hierbei vollkommen aus dem Blick gerät, ist die eigentliche wissenschaftliche Praxis. Wissen entsteht nicht in einem reinen „Nirgendwo“, sondern ist spezifisch und lokal situiert. Feministische und postkoloniale Autor*innen erinnern uns daran, dass die zu Grunde liegenden Praktiken stets verkörperte Praktiken sind. Es sind immer konkrete Menschen und Technologien, die historisch und politisch verortet sind, die Wissen erschaffen.[8]

Wie Scheppe selbst hervorhebt, ist Strucks Schaffen nicht aus einer individuellen Bösartigkeit zu erklären – wenn es auch irritiert, dass in der Ausstellung die mangelnde Parteizugehörigkeit in der NSDAP als Beleg für eine fehlende offen rassistische Gesinnung herhält. Die rassialisierenden Effekte, die in Strucks Werk zu Tage treten, sind in erster Linie strukturellen Bedingungen zuzuordnen. Demnach ist jedoch auch die Ursachenbeschreibung eines rein „theoretischen Fehlers“ zu kurz gegriffen. Indem Scheppe dies ebenso wenig in Bezug auf die anderen erwähnten Wissenschaftler und die historische Gemengelage beachtet, riskiert er, einem von ihm selbst kritisierten positivistischen Wissenschaftsbild verhaftet zu bleiben. Struck war ein Kind seiner kolonialen Zeit, die es ihm unter anderem ermöglichte, Menschen der Insel Bubaque im heutigen Guinea-Bissau zwangsweise zu vermessen. Er konnte sich hier, wie in seinem gesamten wissenschaftlichen Schaffen, strukturell-rassistische Bedingungen zunutze machen. In anderen Worten, seine Art Wissenschaft zu treiben, die Welt zu ordnen und Wahrheiten zu produzieren, wurde durch seine Zeit politisch bedingt. Während der Nationalsozialismus in der Ausstellung und ihren Tafeln immer wieder prominenten Raum einnimmt, wird demgegenüber die Verbindung zur deutschen Kolonialgeschichte nicht ausreichend hergestellt.[9]

Die Darstellung Strucks als anachronistischer Pseudowissenschaftler, dessen wissenschaftliches Schaffen durch die Fachkollegen seiner Zeit bereits überholt war, hat einen weiteren Haken: Wie kann mit der Aufteilung in gute und schlechte Wissenschaft die derzeitige Renaissance von „Rasse“ oder ähnlichen Kategorien wie „Population“ in den Humanwissenschaften erklärt werden? Genetik, Medizin und Forensik beschäftigen sich seit mehreren Jahren wieder intensiv mit den Unterschieden zwischen den Menschen (HGDP, HapMap, BiDil etc)[10] und die Vermessung und Erfassung umfassender biometrischer Daten hat weltweit Konjunktur.[11] Möchte man Rasse oder Population in verschiedentlichen wissenschaftlichen Praktiken erklären, so hilft ein bloßes Abtun dieser als bad science nicht weiter. Für ein besseres Verstehen muss Rasse als a-priori-Begriff fallen gelassen werden, und vielmehr in seiner konkreten Herstellung als Beziehungsgeflecht in bestimmten Praktiken untersucht werden. Im Ansatz versucht Scheppe eine solche Konkretisierung in der Ausstellungszeitung, in der er Strucks Doktorarbeit detailliert analysiert. Dabei stellt er Strucks wissenschaftliches Arbeiten jedoch als einen verirrten Einzelfall dar – Kontinuitäten zu anderen Wissenschaftler*innen, die teilweise bis in die heutige Zeit mit ähnlichen Mitteln arbeiten, werden komplett ausgeblendet. So sei Struck dem Wahn der Quantifizierung anheimgefallen. Dieser ist jedoch nicht so absurd und obsolet wie Wolfgang Scheppe es darstellt. Die Legitimisierungsmacht und Ästhetik von Zahlen hat sich in vielen Lebensbereichen und Wissenschaftsfeldern durchgesetzt, wie zum Beispiel Theodore Porter (1996) eindrücklich analysiert. Über Vorschuluntersuchungen, Intelligenztests zu rechtsmedizinischen Gutachten; von der Medizin, über die Biologie zur quantitativen Soziologie: die Zahl hat sich durchgesetzt. Auch Visualisierungen aller Art von beliebigen statistischen Zusammenhängen und Phänomenen sind eine verbreitete Praxis, ja beinahe ein Fetisch moderner Natur- und teilweise auch Sozialwissenschaften. Nicht nur Struck nutzt Diagramme als Mittel der Überzeugung.

 

Kuratorische Intervention und Publikum 

Die Begleitpublikation konnte kostenlos in der Ausstellung mitgenommen werden, Foto: Regina Sarreiter

Die Begleitpublikation konnte kostenlos in der Ausstellung mitgenommen werden, Foto: Regina Sarreiter

Grundsätzlich stellt sich bei der Ausstellung die Frage nach Intention und Wirkung: An wen richtete sich die Ausstellung? In unserer Interaktion mit anderen Ausstellungsbesucher*innen und dem Ausstellungsführer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verfestigte sich der Eindruck, sie sei zu hermetisch für ihr Publikum – es herrschte vielfach Ratlosigkeit gegenüber den Objekten und den fragmentarischen Erläuterungen. Des Weiteren fehlten Anknüpfungspunkte an aktuelle Debatten um Repräsentation, Rassismusforschung und kritische Wissenschaftsgeschichte. Der Dialog mit einem Fachpublikum wurde ebenfalls nicht gesucht, sondern vielmehr schien die ästhetische Inszenierung zum Selbstzweck zu gerinnen.

Als einziges Vermittlungsprogramm wurden Führungen durch die Ausstellung angeboten, woran wir als Gruppe teilnahmen. In einer zweistündigen Tour wurden uns die einzelnen Kapitel vorgestellt und vom Guide kommentiert. Dieser wirkte jedoch zuweilen vollkommen überfordert mit dem Thema der Ausstellung und der Form der Darstellung. Dies lag u.a. daran, dass die Position, die die Ausstellung einnehmen wollte, nicht ausreichend mit dem Kurator diskutiert worden war – vor allem der Fokus auf den Zusammenhang von Ästhetik und Rassismus wurde kaum reflektiert. Darüber hinaus gab es keine Zusammenarbeit zwischen Kurator und Museumspädagog*innen im Hinblick auf die Vermittlungsarbeit mit Schüler*innen und anderen Gruppen. Das Gezeigte blieb unkontextualisiert und verwirrend. Darüber hinaus werden in diesem Konflikt aber auch die pädagogischen Grenzen des Projektes, das ohne einen wissenschaftlichen oder angewandten Repräsentationsdiskurs auszukommen versucht, deutlich. Letztlich reproduzierte die Führung fortlaufend rassistische Stereotype, weil schlicht das Werkzeug und Wissen für eine andere Präsentation und Position fehlte. Besucher*innen ohne Fachwissen fanden dadurch nur schwer Zugang.

Eine weitere Vermittlungsebene, die auch über die Ausstellung hinaus zugänglich ist, bietet die kostenlose Publikation, eine umfangreiche Zeitung mit Begleittexten, deren Autorenschaft fast ausschließlich von Scheppe selbst beansprucht wird. Trotz der sehr ausführlichen und tiefgreifenden Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand bezieht sich der Autor kaum auf aktuellere Diskurse zu Rassismus oder zur Geschichte ethnologischen und anthropologischen Sammelns, noch versucht er sich darin zu verorten.[12] Hier spiegelt sich eine problematische und überhebliche Herangehensweise, die die Geste des dominanten Autors als alleinige Wissensautorität verstärkt und die sich letztlich einer weiterführenden Debatte verschließt.

Wie einleitend erklärt, halten wir eine intensive und nah am Material geführte Diskussion über rassialisierende Praktiken in der frühen Anthropologie und Ethnologie sowie deren politischen Indienstnahme für ausgesprochen wichtig. Scheppe jedoch hat sich letztlich zu viel vorgenommen: er hat sich selbst verzettelt. Das Projekt bleibt vor allem in seiner eigenen Ignoranz gegenüber bestehenden und aktuellen Diskursen um Rassismus, Repräsentation und Wissenschaftsgeschichte stecken und verfängt sich, ähnlich wie es Struck vorgeworfen wird, zu sehr in seinem eigenen Tun.

 

Autor*innen

Die Forschungsgruppe Anthropologie globaler Ungleichheiten am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin untersucht Ungleichheiten und hierarchische Differenzen (u.a. im Hinblick auf Rasse) aus postkolonialer und wissensanthropologischer Perspektive. Dabei beschäftigen wir uns zentral mit dem Zusammenhang zwischen a) Wissensproduktion und Wissensgenealogien (d.h. die Herstellung von Differenzkategorien u.a. in wissenschaftlicher und politischer Praxis); b) der Wirkmächtigkeit des generierten Wissens (z.B. im Sinne von Diskriminierung / Privilegierung) und c) den Umgangsstrategien damit (als politische Subjektivität). Die Gruppe wird von Prof. Dr. Katharina Schramm geleitet.

 

Bibliographie                                                    

Berner, Margit, Anette Hoffmann & Britta Lange. 2011. Sensible Sammlungen: Aus dem anthropologischen Depot. Hamburg: Fundus.

Breckenridge, Keith. 2014. Biometric state: the global politics of identification and surveillance in South Africa, 1850 to the present. Cambridge: Cambridge University Press.

Haraway, Donna. 1989. Primate visions. Gender, race, and nature in the world of modern science. London [u.a.]: Verso.

Haraway, Donna. 2007. Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminimus und das Privileg einer partialen Perspektive. In: Dis/Kontinuitäten: feministische Theorie. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss, , 305-322.

Hoffmann, Annette (Hg.). 2009. What we see: Reconsidering an anthropometrical collection from Southern Africa: Images, voices, and versioning. Basel: Basler Afrika-Bibliographien.

Knorr Cetina, Karin. 1999. Epistemic cultures: how the sciences make knowledge. Cambridge: Harvard University Press.

Knorr Cetina, Karin & Michael Mulkay (Hg.). 1983. Science observed: Perspectives on the social study of science. London: Sage.

Latour, Bruno. 1995. Wir sind nie modern gewesen. Berlin: Akademie-Verlag.

Law, John & John Hassard. 1999. Actor network theory and after. Oxford: Blackwell.

Mol, Annemarie. 1999. Ontological Politics. A Word and Some Questions. In: Sociological Review 47 (S1), 74-89.

Porter, Theodore. 1996. The Pursuit of Objectivity in Science and Public Life. Princeton: Princeton University Press.

Scheppe, Wolfgang. 2016. Die Vermessung des Unmenschen: Zur Ästhetik des Rassismus: Eine Ausstellung von Wolfgang Scheppe mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dresden: Staatliche Kunstsammlungen Dresden.

Star, Susan Leigh. 1990. Power, technology and the phenomenology of conventions: on being allergic to onions. In: The Sociological Review 38 (S1), 26-56.

 

[1] Besonders die Süddeutsche Zeitung (13.05.2016) lobt die „kluge, aufregende Ausstellung“. Die Welt (14.07.2016) preist die „mustergültig kuratierte Begleitzeitung“, während die Frankfurter Allgemeine Zeitung (20.07.2016) die Schau zu Scheppes „vier optisch grandiosen und inhaltlich provokativen Präsentationen“ zählt. Andere Beiträge wie die vom Neuen Deutschland (18.05.2016), Deutschlandfunk (16.05.2016) und mdr (13.05.2016) geben einige der Inhalte der Ausstellung und der Publikation kritiklos wieder. Die Rezension von Barbara Wiegand für Deutschlandradio Kultur (12.05.2016) lässt zumindest eine Ahnung von Kritik aufkommen. Sie fragt, ob man in der Ausstellung „dieser Mischung zwischen Ethno- und Ideologie nicht zu viel Raum lässt“. Einzig die Sächsische Zeitung (21.05.2016) aus Dresden kritisiert die hermetische Darstellungsweise Scheppes und artikuliert die Gefahr, das Ziel der Ausstellung könne dadurch – und durch die Reproduktion der rassewissenschaftlichen Objekte in der Exposition – verfehlt werden. Bis auf Deutschlandradio Kultur reproduzieren alle dieser Medien die Fotos der Ausstellungsobjekte unkommentiert und unreflektiert.

[2] Die Abformungen sind zum einen Abgüsse von Abformungen, die während einer französischen Marineexpedition zum Südpol entstanden, zum anderen ist ihre Herkunft auf Castan’s Panopticum in Berlin zurückzuführen. Letzteres war u.a. Schauplatz sog. Völkerschauen, in deren Zusammenhang die Körper der zur Schau gestellten Personen abgeformt wurden.

[3] Das Absperrband ist mit einer durchgehenden Folge von x – und folgendem Schriftzug in Deutsch und Englisch bedruckt: „Die Aneinanderreihung des Buchstabens x und eines Minuszeichens ergibt das kartografische Symbol der Grenze. Es verweist auf das Bild von Stacheldraht“. 

[4] Das komplette Zitat Fischers, das eine eigene Tafel in der Ausstellung erhalten hat, lautet: „Aber es lebte doch auch die Hoffnung, dass vielleicht der wirkliche ziffernmaessige Nachweis in dem Material schlummere“. 

[5] Die Präsentation erinnert an Peggy Buths Installation in der Ausstellung „Ware & Wissen“ im Weltkulturenmuseum in  Frankfurt/Main, 16.01.14-04.01.15, in der sie Bilder aus der Sammlung des Museums mit von ihr vorgeschlagenen Kategorien zeigt.

[6] Zum Umgang und dem entschiedenen Nicht-Zeigen von Körperabformungen s. Berner, Hoffmann und Lange (2011); Hoffmann (2009: 13). Die daran geknüpfte umfassende Debatte wird vom Kurator Scheppe nicht rezipiert.

[7] Die Sprache in der Publikation und in den Ausstellungstafeln ist dabei selbst nicht frei von rassistischen und eurozentrischen Begriffen. So ist u.a. die Rede von „afrikanischen Idiomen“ (Scheppe 2016: 17).

[8] Zu den prominenten Autor*innen der Wissenschaftsforschung, die diese Zusammenhänge dargelegt haben, zählen u.a. Karin Knorr-Cetina (1983, 1999), Donna Haraway (1989, 2007), Bruno Latour (1995), John Law (1999), Annemarie Mol (1999) und Susan Leigh Star (1990).

[9] Lediglich in der Publikation bezeichnet Scheppe Struck als „glühenden“ Anhänger „kolonialrevanchister Ambition des Regimes“, ohne jedoch weiter darauf einzugehen, wie diese historische Rahmung sein professionelles Tun beeinflusste bzw. erst ermöglichte.

[10] Das Human Genome Diversity Project (HGDP) sammelt seit 1991 weltweit biologische Daten mit der Intention, eine repräsentative Datenbank der genetischen Diversität von Menschen anzulegen; das International HapMap Project versucht Muster genetischer Variation des menschlichen Genoms zu kartografieren; das Kombinationsmedikament BiDil (Isosorbide dinitrate/hydralazine) wurde 2011 als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz mit einer spezifischen Indikation für Schwarze Menschen auf dem US-amerikanischen Markt eingeführt.

[11] Zu den Kontinuitäten kolonialer und gegenwärtiger Praxis in biometrischen Verfahren, vgl. Breckenridge (2014).

[12] Nur an einer einzigen Stelle verweist Scheppe in der Publikation auf Positionen, die aus einem postkolonial informierten Wissenschaft kommen, und tut sie als „postkolonialer Furor“ (Scheppe 2016: 4) ab.

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3 thoughts on “„Die Vermessung des Unmenschen“: Zur Darstellung von Rasse und Rassismus in einer Dresdner Ausstellung

  1. Dr. Christian Müller-Straten

    Vgl. dazu die Analyse der Ausstellung bei Lydia Icke-Schwalbe: Freche Freibeuterei statt aufbereiteter Forschung? Zu Wolfgang Scheppes Ausstellung „mit den „Staatlichen Kunstsammlungen Dresden“. In: MUSEUM AKTUELL, Ausgabe Juni 2016, S. 16-21. Link zum PDF

  2. Dr. Lydia Icke-Schwalbe

    Danke für Ihre Ausstellungsbesprechung. Sie belegt genau das, was zu erwarten war, nämlich die unmoralische Vernichtung von wissenschaftlicher Forschung anhand von unbearbeiteten Archiv-Sammlungen und wissenschaftshistorisch wertvollen Dokumenten mit Hilfe gegenwartspolitischer, persönlich unverarbeiteter Vorweisungen.
    Lesen Sie bitte meinen Beitrag in MUSEUM AKTUELL vom Juni 2016: Freche Freibeuterei statt aufbereiteter Forschung. [Anm. d. Mod.: Vgl. hierzu den Kommentar von C. Müller-Straten]

  3. Michael Markert

    Vielen Dank für diese Besprechung. Mich hatte als Wissenschafts- und Kulturhistoriker mein Ausstellungsbesuch sehr wütend gemacht, da ich mit dieser in meinen Augen recht hohlen Re-Ästhetisierung der „Ästhetik des Rassismus“ wenig anfangen konnte – schon gar nicht in der Pegida-Hochburg Dresden.
    Dem Macher einer Ausstellung zu rassistisch-wissenschaftlichen Objektivierungspraktiken hätte auffallen müssen, dass die so prominent platzierten Akteure Bellmann und Struck doch eher gewöhnliche Rassisten im Wissenschaftsbetrieb waren, wie sie überall und nicht nur bis 1945 auftraten. Die Banalität des Bösen spielte in der Ausstellung aber keine Rolle, vielmehr wurde alles, was leider nicht extrem war, als ein Extrem verkauft. Der Voyeurismus der damaligen Rassisten wurde so in einen postrassistischen Voyeurismus gewendet, in dem ich nun als Besucher*in die Arbeit von Struck, Bellmann und Konsorten begaffen sollte, diesen fehlgeleiteten Trotteln aus einer früheren Epoche. Als aufgeklärter, moderner Europäer fand ich in der Ausstellung alle meine Vorurteile über die Rassisten der Vergangenheit bestätigt, von denen ich mich in bester chauvinistischer Tradition abgrenzen konnte, wie es schon die Carus‘ und Strucks dieser Welt gegenüber ‚dem Anderen‘ taten. Fremd bleibt eben fremd.
    Es wäre zu wünschen gewesen, dass man über den Tellerrand des Archivs blickt und die Herkünfte und Zukünfte der Methoden aufzeigt, mit denen man den rassistischen Phänomenraum wissenschaftlich erschloss: dann wäre aufgefallen, dass auch Sarazin et al. als emsige Datensammler*innen tätig sind und es auch heute rassistisch argumentierende Wissenschaftler*innen in den unterschiedlichsten Fachgebieten gibt.

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